Das Ende einer Ära
„Sehr geehrte Damen und Herren, es liegen einige ereignisreiche Jahre hinter uns!“. Präsident Osmers sagt das mit einem Minimum nötigen Ernstes, dafür mit um so feierlicherer Stimme, und sein Gesicht spiegelt exakt die allgemeine Stimmung beim traditionellen Saisonabschluss von Olympia Haste wider: entspannt und heiter, und ein kleines bisschen stolz.
Diese wenigen Worte genügen, die Aufmerksamkeit der versammelten Vereinsmitglieder und Fans zu gewinnen. Nicht, dass der Vereinsboss ein begnadeter Rhetoriker wäre oder über ein unwiderstehliches Charisma verfügte, im Gegenteil: die Tatsache allein, DASS er das Mikrofon genommen und sich anschickt, eine Ansprache zu halten, die auf dem Programm so nicht vorgesehen ist, lässt Ungewöhnliches vermuten.
„Wir haben im Präsidium darüber in letzter Zeit wiederholt gesprochen, und nachdem der Aufstieg in trockenen Tüchern war, haben wir einstimmig festgestellt, dass dieses genau der richtige Moment ist, einen personellen Schnitt zu machen und einen Schlussstrich zu ziehen…“. Bemerkenswert, wie er diese letzten Worte in der Luft hängen lassen kann, dieses Talent ist in den über zwei Jahrzehnten seiner Amtszeit noch niemandem aufgefallen. Ein Kaffeelöffel fällt herunter, der Verursacher wird mit zahlreichen Blicken ungespitzt in den Boden des Vereinsheimes gerammt, läuft rot an und verschüttet fast noch den verbleibenden Inhalt seines heißen Getränkes. Sollte jetzt irgendein Handy klingeln, wird dessen Besitzer wohl seinen Mitgliedsausweis zurückgeben müssen.
„Es ist wirklich ein schwerer, aber zugleich auch konsequenter und letztlich notwendiger Schritt“, fährt Osmers fort, "aber ich möchte Ihnen und der gesamten Öffentlichkeit schon vor der Jahreshauptversammlung am Mittwoch reinen Wein einschenken.“ Es ist mucksmäuschenstill im übervollen Saal, nur das verstohlene Zucken einiger Hände und Arme lässt vermuten, dass nunmehr alle Mobilfunkgeräte auf lautlos gestellt werden.
„Der Verein steht in diesem Moment glänzend da! Zum zweiten Male aufgestiegen in die dritte Liga, alle Jugendmannschaften gehören ebenso dieser Spielklasse weiter an. Die nächsten beiden Talente warten bereits im Nachwuchskader. Der Verein ist wirtschaftlich gesund, wir erwarten einen schönen siebenstelligen Sponsorenbetrag und haben noch einiges auf der hohen Kante. Olympia Haste ist ein Verein, der von sich reden gemacht hat, vielleicht kein Kult-Club, noch nicht, aber einer, über den man spricht. Das haben wir denen zu verdanken, die seit geraumer Zeit in der Verantwortung stehen…“ Wenn Spötter schon mal angemerkt haben, in und auf Haste sei in Sachen Profi-Fußball die Zeit stehen geblieben, so bewahrheitet sich diese Ansicht genau in diesem endlosen Moment. „… und denen, die auch in schweren Zeiten, bedingungslos oder auch schweren Herzens, zu diesem Verein gestanden und sich für ihn förmlich zerrissen haben!“ Der Redner fingert ein Stofftaschentuch aus seiner linken Jacketttasche und tupft sich über die lichte Stirn. Ein Glas wird ihm gereicht, er nimmt einen Schluck. „Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen aus tiefster Seele für diese wunderschöne Zeit und gebe Ihnen hiermit bekannt, dass ich am Mittwoch nicht erneut kandidieren werde. Danke. Danke für alles!“ Wir erleben einen weiteren endlosen Augenblick und den Beweis, dass sich mucksmäuschenstill noch steigern lässt. Dann hört man von irgendwo zwei Hände langsam aufeinander schlagen und geradezu dankbar fällt die versammelte Gemeinde ein. Hochrufe ertönen und auf wundersame Weise sind da plötzlich ein Blumenstrauß und ein Pressefotograf. Einige Herren sowie eine Dame, allesamt ehrwürdige Vereinsmitglieder mit Sitz und Stimme in Vereinsgremien, umringen jetzt den scheidenden Vorsitzenden und wollen ihn überall dort berühren, wo es die Etikette zulässt, und ihn womöglich nicht mehr loslassen. Hier löst sich die Anspannung und macht einer Feierstimmung Platz, bei der noch einige spontane Ansprachen abgelesen werden. Man bringt sich in Position und der Mittwoch verspricht, spannend zu werden.
„Sehr geehrte Damen und Herren, es liegen einige ereignisreiche Jahre hinter uns!“. Präsident Osmers sagt das mit einem Minimum nötigen Ernstes, dafür mit um so feierlicherer Stimme, und sein Gesicht spiegelt exakt die allgemeine Stimmung beim traditionellen Saisonabschluss von Olympia Haste wider: entspannt und heiter, und ein kleines bisschen stolz.
Diese wenigen Worte genügen, die Aufmerksamkeit der versammelten Vereinsmitglieder und Fans zu gewinnen. Nicht, dass der Vereinsboss ein begnadeter Rhetoriker wäre oder über ein unwiderstehliches Charisma verfügte, im Gegenteil: die Tatsache allein, DASS er das Mikrofon genommen und sich anschickt, eine Ansprache zu halten, die auf dem Programm so nicht vorgesehen ist, lässt Ungewöhnliches vermuten.
„Wir haben im Präsidium darüber in letzter Zeit wiederholt gesprochen, und nachdem der Aufstieg in trockenen Tüchern war, haben wir einstimmig festgestellt, dass dieses genau der richtige Moment ist, einen personellen Schnitt zu machen und einen Schlussstrich zu ziehen…“. Bemerkenswert, wie er diese letzten Worte in der Luft hängen lassen kann, dieses Talent ist in den über zwei Jahrzehnten seiner Amtszeit noch niemandem aufgefallen. Ein Kaffeelöffel fällt herunter, der Verursacher wird mit zahlreichen Blicken ungespitzt in den Boden des Vereinsheimes gerammt, läuft rot an und verschüttet fast noch den verbleibenden Inhalt seines heißen Getränkes. Sollte jetzt irgendein Handy klingeln, wird dessen Besitzer wohl seinen Mitgliedsausweis zurückgeben müssen.
„Es ist wirklich ein schwerer, aber zugleich auch konsequenter und letztlich notwendiger Schritt“, fährt Osmers fort, "aber ich möchte Ihnen und der gesamten Öffentlichkeit schon vor der Jahreshauptversammlung am Mittwoch reinen Wein einschenken.“ Es ist mucksmäuschenstill im übervollen Saal, nur das verstohlene Zucken einiger Hände und Arme lässt vermuten, dass nunmehr alle Mobilfunkgeräte auf lautlos gestellt werden.
„Der Verein steht in diesem Moment glänzend da! Zum zweiten Male aufgestiegen in die dritte Liga, alle Jugendmannschaften gehören ebenso dieser Spielklasse weiter an. Die nächsten beiden Talente warten bereits im Nachwuchskader. Der Verein ist wirtschaftlich gesund, wir erwarten einen schönen siebenstelligen Sponsorenbetrag und haben noch einiges auf der hohen Kante. Olympia Haste ist ein Verein, der von sich reden gemacht hat, vielleicht kein Kult-Club, noch nicht, aber einer, über den man spricht. Das haben wir denen zu verdanken, die seit geraumer Zeit in der Verantwortung stehen…“ Wenn Spötter schon mal angemerkt haben, in und auf Haste sei in Sachen Profi-Fußball die Zeit stehen geblieben, so bewahrheitet sich diese Ansicht genau in diesem endlosen Moment. „… und denen, die auch in schweren Zeiten, bedingungslos oder auch schweren Herzens, zu diesem Verein gestanden und sich für ihn förmlich zerrissen haben!“ Der Redner fingert ein Stofftaschentuch aus seiner linken Jacketttasche und tupft sich über die lichte Stirn. Ein Glas wird ihm gereicht, er nimmt einen Schluck. „Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen aus tiefster Seele für diese wunderschöne Zeit und gebe Ihnen hiermit bekannt, dass ich am Mittwoch nicht erneut kandidieren werde. Danke. Danke für alles!“ Wir erleben einen weiteren endlosen Augenblick und den Beweis, dass sich mucksmäuschenstill noch steigern lässt. Dann hört man von irgendwo zwei Hände langsam aufeinander schlagen und geradezu dankbar fällt die versammelte Gemeinde ein. Hochrufe ertönen und auf wundersame Weise sind da plötzlich ein Blumenstrauß und ein Pressefotograf. Einige Herren sowie eine Dame, allesamt ehrwürdige Vereinsmitglieder mit Sitz und Stimme in Vereinsgremien, umringen jetzt den scheidenden Vorsitzenden und wollen ihn überall dort berühren, wo es die Etikette zulässt, und ihn womöglich nicht mehr loslassen. Hier löst sich die Anspannung und macht einer Feierstimmung Platz, bei der noch einige spontane Ansprachen abgelesen werden. Man bringt sich in Position und der Mittwoch verspricht, spannend zu werden.